Gebärdensprachdolmetschen in Innsbruck studieren. Ein Studiumsportrait.

Ein Interview mit Antonia Augendopler, Studentin an der FHg in Innsbruck.

Gebärdensprache
(c) Jo Hilton on Unsplash

Akademikerhilfe.at: Servus Antonia. Vielen Dank, dass du dir für das Interview Zeit nimmst! Darf ich dich fragen, woher du ursprünglich kommst?
Antonia Augendopler: Sehr gerne! Ich wurde im wunderschönen Wien geboren, habe aber viele warme Sommer in Klosterneuburg verbracht. Nachdem ich meine Matura gemacht habe, bin ich für mein Studium „Gebärdensprachdolmetschen“ nach Innsbruck gezogen.

Akademikerhilfe.at: Wie würdest du deine Schulzeit beschreiben?
Antonia Augendopler: Meine Schulzeit war – wenn ich es so sagen darf – sehr dynamisch! (lacht). Zum einen stressig und belastend, aber auch eine Zeit, die verbindet und Freundschaften schafft. Ich habe jahrelang mit einer coolen Musical-Gruppe tolle Musicals aufgeführt und zweimal für das Schulsprecheramt kandidiert. Das sind Erinnerungen, die mir nun keiner wegnehmen kann.

Akademikerhilfe.at: Das ist schön zu hören! Jetzt bist du ja im Studentenleben. Was und wo studierst du?
Antonia Augendopler: Ich studiere Österreichisches Gebärdensprachdolmetschen (ÖGSD) an der FH Gesundheit (FHg) in Innsbruck in Tirol. Derzeit habe ich das zweite Semester abgeschlossen. Insgesamt dauert mein Studium drei Jahre.

Akademikerhilfe.at: Wie kam es dazu, dass du ÖGSD studierst?
Antonia Augendopler: Prinzipiell habe ich zur Österreichischen Gebärdensprache (ÖGS) keine Berührungspunkte. Doch ein Ereignis in meinem Leben löste eine unglaubliche Faszination aus, die bis heute anhält. Mit 10 habe ich eine Person gefragt, nachdem ich ihr bei einem gebärdeten Gespräch zugesehen hatte, ob sie mir eine Gebärde zeigen würde. Diese Kommunikation durch den Körper hat mich sofort fasziniert! Die Kunst, durch Hände und Bilder fast schon Theaterstücke entstehen lassen zu können, hat eine Faszination in mir ausgelöst.

Also wollte ich mehr wissen. Ein ÖGS-Kurs auf Niveau A1 während der 8. Klasse und das Buch „Maybe Someday“ haben dazu geführt, dass meine Neugierde noch weitergewachsen ist. Es war großartig, von einer gehörlosen Lehrerin unterrichtet zu werden. Dadurch konnte ich die Gebärden noch besser lernen und auch Rücksicht auf unterschiedliche Dialekte nehmen.

Akademikerhilfe.at: Also studierst du Gebärdensprache aus Überzeugung, richtig?
Antonia Augendopler: Ja, definitiv! Durch das Buch „Maybe Someday“ und die Ausstellung „HANDS UP“ von Equalizent wurde ich erstmals mit der Situation gehörloser Menschen in Österreich konfrontiert.

Ein gehörloser Mensch stößt in der hörenden Welt auf zahlreiche Barrieren. Ein Zugticket beim Schaffner kaufen, eine Bestellung im Restaurant aufgeben oder sich vom Arzt ein Medikament verschreiben zu lassen, kann bereits ein Hindernis sein, wenn als Kind nicht die deutsche Lautsprache mühselig gelernt wurde oder die Kommunikation mithilfe von Stift und Papier nicht ausreicht.
Unsere Welt ist auf das Ohr ausgelegt. Brandschutzmeldeanlagen, Fahrstühle mit auditiven Notrufsystemen oder Durchsagen am Bahnsteig sind für hörende Menschen gemacht – nicht für gehörlose.

Akademikerhilfe.at: Wie reagierte dein soziales Umfeld auf deine Studienwahl?
Antonia Augendopler: Die Mehrheit ist immer positiv überrascht und interessiert. Irgendwie sind ÖGSD-Studenten doch die „Special Snowflakes“ (lacht). Viele fragen nach, wie es möglich ist, eine Sprache durch die Hände zu lernen.

Bisher hatte ich nur einmal ein unangenehmes Erlebnis. Eine Studierende hat mich gefragt, ob mein Studium statt drei Jahren nur ein oder zwei Jahre dauert, weil „es ja doch nur mit den Händen alles gemacht wird“. Das hat mich ziemlich erstaunt, dass es doch Menschen gibt, die Gebärdensprache als eine primitive mit einem verkleinerten Ausdruck wahrnehmen.

Akademikerhilfe.at: Was fasziniert dich an ÖGS?
Antonia Augendopler: Einfach alles! ÖGS ist wie Tanzen! Eine Sprache, die nur durch die Hände funktioniert, also quasi „Kommunikation durch den Körper“ ist. So viele Informationen können in der ÖGS viel einfacher und unkomplizierter vermittelt werden, wo im Deutschen fünf Sätze benötigt werden. Außerdem ist die ÖGS sehr funktional und ästhetisch. Sie ist wunderschön und - Achtung: Wortwitz -  gut zum HANDhaben (lacht).

Akademikerhilfe.at: Das ist eine wirklich schöne Anekdote. Dann sage ich mal Danke für das Gespräch (auch in ÖGS) und wünsche dir alles gute in deinem Studium!

Antonia Augendopler: Gerngeschehen!

 

 

Wichtige Fakten über Gebärdensprachen

 

  • Gebärdensprache ist nicht international (universell) Jedes Land hat seine eigene Gebärdensprache. Es gibt eine Französische Gebärdensprache, Britische Gebärdensprache (BSL), Amerikanische Gebärdensprache (ASL) und so weiter.
  • Die Österreichische Gebärdensprache ist seit 2005 eine anerkannte Minderheitensprache in Österreich. Sie besitzt eine eigene Grammatik, Syntax und unterscheidet sich von der deutschen Lautsprache.
  • Die Bezeichnung „taubstumm“ wird als diskriminierend empfunden, weil gehörlose Menschen nicht stumm sind. Bitte verwende stattdessen „gehörlos“ oder „taub“.

 

 

By Karl Pfeffer - https://www.pfefferconsulting.at/app/download/11668415960/%C3%96GS+Fingeralphabet.pdf.pdf?t=1518689832, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=86666723
ÖGS Fingerarlphabet (c) Karl Pfeffer. CC BY-SA 4.0 / Akademikerhilfe.at

 

Nützliche Links:

 

 

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